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Dorfplatzidylle

SV Werder Bremen II – 1. FC Magdeburg, 4. Spieltag, 1-1 (0-0)

Die gute Nachricht vorweg: Der 1. FC Magdeburg ist im bundesdeutschen Profifußball weiterhin ungeschlagen. Die schlechte hinterher: Er war in der Partie bei der Zweitvertretung des SV Werder Bremen lediglich ein paar Minuten vom ersten und nicht unverdienten Sieg auf fremdem Platz entfernt, nahm aber auch aus der zweiten Auswärtspartie trotz erneuter eigener Führung lediglich einen Zähler mit. Anders als noch in Mainz ist das diesmal tatsächlich ärgerlich, weil Christian Beck ungefähr drei Minuten vor Schluss sogar die Entscheidung auf dem Fuß hatte und letzten Endes ein individueller Fehler in der Vorwärtsbewegung zum Last-Minute-Gegentreffer führte. Aber so ist Fußball. Unter dem Strich steht dennoch ein weiterer gewonnener Punkt gegen den Abstieg und sogar die Tabellenführung in Liga 3, auch wenn sie sicherlich nicht allzu lange Bestand haben wird.

Dass die Bremer es durchaus ernst meinen würden mit dem anvisierten zweiten Sieg im vierten Anlauf, konnte man im Prinzip schon an der Startaufstellung der Gastgeber ablesen: Mit Raphael Wolf (Marktwert 1 Mio €), Levent Aycicek (1 Mio €), Oliver Hüsing (350.000 €), Julian von Haacke (200.000 €), Melvyn Lorenzen (500.000 €), Marnon Busch (500.000 €), Lukas Fröde (150.000 €) und Santiago Garcia (3 Mio €) standen gleich 8 Spieler in der ersten Elf, die auch im Profikader des SV Werder Bremen geführt werden. Die Anfangsphase gehörte aber Blau-Weiß – soweit ich das von meinem Standort im weiten Rund des Sportplatzes 11 neben dem Weserstadion überhaupt erkennen konnte.

Insgesamt wirkte die Spielstätte nicht wie ein Drittligastadion, sondern eher wie Landespokal, 2. Runde. Ich hätte ja wirklich nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber gegenüber dem „Platz 11“ kommt sogar fast die Meuselwitzer bluechip-Arena noch eher wie ein Fußballstadion daher. Aber das ist noch mal ein anderes Thema für einen eigenen Blogbeitrag. Nach dem schon angesprochenen guten Beginn der Größten der Welt übernahmen im Verlauf der ersten Halbzeit die Gastgeber zunehmend mehr die Initiative und kamen vor allem durch Standardsituationen immer wieder gefährlich vor das Tor von Jan Glinker. Auffällig in unserem Spiel waren viele Ungenauigkeiten im Mittelfeld, die immer wieder zu schnellen Ballverlusten führten. Das frustrierte nicht nur die Mannschaft merklich und auch hörbar (Stichwort: Dorfplatzidylle), sondern führte auch dazu, dass man die schnellen und technisch guten Bremer häufiger in ganz vielversprechende Angriffe brachte. Was aber auch auffiel, war, dass damit meist am Sechzehner Schluss war (es sei denn, die besagten Standardsituationen führten zu langen Bällen in den Strafraum).  Mal ganz abgesehen davon, dass unsere Abwehr einen ausgesprochen guten Job machte, konnte man schon eine Idee davon bekommen, warum die Bremer in den letzten beiden Spielen keine eigenen Treffer verzeichneten. Da von den Größten der Welt offensiv ungefähr ab Minute 10 so gar nichts mehr kommen wollte, ging es torlos in die Pause.

Der zweite Durchgang begann im Wesentlichen so, wie auch das Spiel begonnen hatte: Mit einem druckvollen Gast, der versuchte, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Angenehmer Weise (aus Sicht-Perspektive) spielte man nun auf die eigene, gut gefüllte Kurve, die den ganzen Bereich hinter dem Tor von, ähm, „Haupttribüne“ bis Gegengerade einnahm und mehr als ordentlich gefüllt war.  

In der 65. Minute dann auch die zu diesem Zeitpunkt verdiente Führung für Blau-Weiß: Manuel Farrona-Pulido geht mit Tempo in den Strafraum und wird zu Fall gebracht; den fälligen Elfmeter (den man durchaus geben kann, aber vielleicht auch nicht unbedingt geben muss) verwandelt Kapitän Sowislo souverän.

Der Rückstand wirkte nun wiederum für die Gastgeber so ein bisschen als Weckruf – während die das Tempo anzogen und den Druck erhöhten, ergab sich für den Club natürlich und fast schon logisch die eine oder andere gute Kontergelegenheit. Spielt man davon nur eine zu Ende, nimmt man die drei Punkte mit einiger Sicherheit mit nach Magdeburg. Christian Beck in der eingangs erwähnten Szene und unter anderem auch Farrona-Pulido (der insgesamt ein gutes Spiel machte und seine Chance durchaus zu nutzen wusste) ließen aber gute Gelegenheit liegen, und so kam es, wie es dann häufig kommt: Der inzwischen eingewechselte Kevin Kruschke gewinnt in der 89. Minute den Ball in der Defensive und muss ihn eigentlich nur lang rausschlagen, entscheidet sich aber für die spielerische Variante. Die geht schief und führt zum Ballverlust, in dessen Folge Levent Aycicek den umjubelten Ausgleichstreffer für die Gäste erzielen kann.

Das 1-1 in der 90. Minute ist natürlich ernüchternd, geht aber aufgrund zweier sehr verschiedener Halbzeiten insgesamt in Ordnung. Die Mannschaft wirkte nach dem Spiel am Zaun auch nicht übermäßig enttäuscht, sondern freute sich augenscheinlich eher über den gewonnenen Punkt und vor allem den riesigen Support, der ihr mal wieder zuteil wurde.

Abseits des Sportlichen vielleicht mal noch ein kurzer Blick auf das Drumherum. Ich kann es ja irgendwo verstehen, dass die Ordnungskräfte ein Drittligaspiel bestmöglich absichern wollen, würde aber trotzdem gern mal wissen, was man den örtlichen Einsatzkräften vorher alles so erzählt hat über die blau-weiße Anhängerschaft. 100 Meter vor dem Stadion die erste – polizeiliche – Taschenkontrolle, auf dem Weg zum Eingang dann nochmal vorbei an einem Spalier von ca. 20 Beamten, am Einlass selbst auf 10 Metern noch zweimal (!) der Blick in den Beutel und während der ersten Halbzeit dann bestimmt 30-40 Beamte in voller Montur (aber erstaunlicherweise ohne Helm) im Eingangsbereich des Gästeblocks. Erst als in Halbzeit 2 dann das Tor für die Guten fiel und offensichtlich auch die Beamten erkannten, dass wir hier nur eine vollkommen entspannte, blau-weiße Fußballparty feiern wollten, zog man sich zurück. Freundlich waren sie ja, das muss man ihnen lassen (kennt man ja auch ganz anders), aber ein bisschen weniger Buhai hätte es aus meiner Sicht auch getan.

Was bleibt also von Auswärtsauftritt 2 in Liga 3? Zunächst mal die Erkenntnis, dass es auch in der Dritten Liga durchaus provinziell zugehen kann. Dann der Eindruck, mit dem Kader auch in der Breite qualitativ so aufgestellt zu sein, dass einem im Saisonverlauf – unvorhergesehene Ereignisse mal außen vor gelassen – eigentlich nicht bange werden sollte. In der Defensive wirkte André Hainault in seinem zweiten Spiel bereits sehr souverän und ließ seine Klasse und Erfahrung erkennen; Manuel Farrona-Pulido gab als Ersatz für Ahmed Waseem Razeek ordentlich Gas, arbeitete auch nach hinten mit und holte nicht zuletzt auch den Elfmeter zur Führung raus. Bei Tarek Chahed ist es offenbar egal, ob er offensiv links, rechts oder hinter den Spitzen spielt und auch die Einwechslungen von Kevin Kruschke, Silvio Bankert und vor allem dem erneut starken Niklas Brandt machten sich bezahlt bzw. ließen keinen Bruch im Spiel und vor allem keinen Qualitätsverlust erkennen.

So kann es weitergehen und wenn alle gesund bleiben, wird für Jens Härtel die Herausforderung wohl vor allem darin bestehen, den Kader bei Laune und die Stimmung im Team hoch zu halten. Die englische Woche als vorübergehender Tabellenführer und ungeschlagener Aufsteiger zu beginnen, wird dabei mit Sicherheit nicht von Nachteil sein. Weiter geht es bereits am 25.08. gegen den Chemnitzer FC. Und mit dem ist ja bekanntlich noch eine kleine Rechnung offen

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