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Dieses Kribbeln

Erfurt

1. FC Magdeburg – FC Rot-Weiß Erfurt, 2. Spieltag, 3:0 (3:0)

Wie hatte ich es vermisst. Dieses Kribbeln kurz vor dem Anpfiff, wenn die Mannschaften endlich den Rasen im Heinz-Krügel-Stadion betreten und sich die Nordtribüne so langsam bereit macht für das erste Einklatschen der noch jungen Spielzeit. Dieses “FUSSBALLCLUB MAGDEBURG! FUSSBALLCLUB MAGDEBURG!” aus tausenden Kehlen, das einem im positiven Sinne die Haare zu Berge stehen lässt und nach immerhin 10 langen Wochen Pause direkt wieder eine gute Portion Gänsehaut beschert. Das erste Heimspiel einer gerade ganz frisch angebrochenen Saison ist und bleibt eben einfach etwas ganz Besonderes. Und wenn die Mannschaft dann auch noch eine derart souveräne Vorstellung abliefert, den Gegner mit drei blitzsauberen Toren im Prinzip schon in der ersten Halbzeit schlägt und den unglücklichen Start aus der Vorwoche erst einmal vergessen macht, darf man wohl zu Recht von einem rundum gelungenen Heimdebüt sprechen.

Jens Härtel hatte seine erste Elf im Vergleich zur 1:4-Niederlage in Großaspach auf 2 Positionen verändert. Veränderungen im Übrigen, die mit einiger Sicherheit auch eingetreten wären, wenn die Mannschaft ihr Auftaktspiel am vergangenen Wochenende gewonnen hätte: Für den angeschlagenen Steffen Schäfer rückte Felix Schiller neben Nico Hammann und Christopher Handke in die Dreier-Abwehrkette, Philip Türpitz begann als zweite Spitze neben Christian Beck und ersetzte den verletzten Felix Lohkemper. Im Mittelfeld blieb alles beim Alten: Marius Sowislo und Björn Rother besetzten die Zentrale, links daneben spielte Michel Niemeyer, rechts Nils Butzen, hinter den Spitzen Andreas Ludwig. Wenn da mal nicht jemand seiner Formation und der damit verbundenen Spielidee vertraut. Gut so.

Bereits nach knapp 2 gespielten Minuten sollte sich dieses Vertrauen das erste Mal fast auszahlen. Über eine Flanke von der linken Seite und eine Kopfballhereingabe durch Nils Butzen von rechts kommt der Ball zu Ludwig. Der bringt ihn zwar direkt, aber auch recht kraftlos aufs Tor – kein Problem für Philipp Klewin im Erfurter Kasten. Fast noch schöner als die Passfolge, die letztlich zum Abschluss führte, war aber der vorausgegangene Ballgewinn: Erfurt ist eigentlich im Vorwärtsgang, der FCM presst früh, gewinnt den Ball und bringt ihn sofort mit 2 Pässen zu Beck, der so überhaupt erst die Gelegenheit zur Flanke bekommt. Keine Frage: Der FCM war wach, aggressiv, früh dran und ließ vom Start weg kaum einen Zweifel aufkommen, wer hier Herr im Haus ist.

Weitere zwei Minuten später verwandelte sich das Stadion zum ersten Mal in ein veritables Tollhaus. Diesmal war es dem insgesamt überragenden Philip Türpitz zu verdanken, dass sein Team in eine vielversprechende Position kommt. Ein verunglückter Erfurter Klärungsversuch fällt Nils Butzen vor die Füße und wird von dort auf Türpitz weitergeleitet. Der haut den Ball einfach mal direkt und hoch in Richtung Strafraum, wo Luka Odak in der Viererkette der Gäste eigentlich alle Zeit der Welt hat, zu klären, den hohen Ball dann aber vor sich auf- und anschließend über sich drüberspringen lässt. Derweil war Michel Niemeyer auf links gestartet, sagt artig „dankeschön“, macht noch 2, 3 Schritte und haut das Spielgerät aus dem Lauf humorlos flach in die rechte Ecke. 1:0 nach vier Minuten – besser hätte es für den Club kaum laufen können; sofern Rot-Weiß Erfurt den Plan hatte, erst einmal ins Spiel zu finden und selbiges dann so lange wie möglich offen zu halten, war der damit bereits nach nicht einmal fünf Minuten über den Haufen geworfen.

Blau-Weiß hingegen hatte ganz offensichtlich gar kein Interesse daran, in der Anfangsphase in irgendeiner Form nachzulassen. Während von den Gästen offensiv kaum etwas Konstruktives zu sehen war, hielt der FCM den Druck kontinuierlich oben und kam damit selbst zwar nicht mehr zu Abschlüssen, zwang aber den Gegner zu Fehlern. So auch nach 12 Minuten, als ein Erfurter Klärungsversuch am eigenen Strafraum fast zu einem Eigentor führte. Ansonsten passierte trotz deutlicher Magdeburger Überlegenheit bis zur 25. Minute eigentlich nicht mehr so furchtbar viel, sieht man von einem schnellen Ball in die Spitze via Hammann und Butzen auf Sowislo einmal ab. Der Kapitän war dann allerdings einen Ticken zu langsam und konnte den Pass zur Grundlinie dementsprechend nicht mehr erlaufen.

Offensiv in Erscheinung traten die Gäste erstmals nach etwa 25 Minuten mit ihrem ersten Abschluss, der für das Magdeburger Tor letztlich aber keinerlei Gefahr darstellte. Trotzdem gab es in dieser Phase auf Erfurter Seite die eine oder andere ungestörte Passfolge, deren Ausgangspunkt immer wieder Merveille Biankadi war. Bevor der geneigte Zuschauer allerdings Gelegenheit hatte, groß darüber nachzudenken, ob Rot-Weiß jetzt besser ins Spiel finden würde, stand es auch schon 2:0: Einen langen Freistoß von links zieht Andreas Ludwig vor das Erfurter Tor, wo der Ball zunächst per Kopf geklärt werden kann, dann aber außerhalb des Strafraums bei Philip Türpitz landet. Der ist mutterseelenallein und zieht einfach mal ab – eigentlich nicht sonderlich platziert, von Christopher Bieber im Erfurter Dress aber noch abgefälscht landet die Kugel unhaltbar rechts im Tor. Schönes Pfund und endlich mal ein Fernschuss! Dass der dann gleich noch passt – umso besser.

Keine halbe Stunde rum, sehr souveräne Vorstellung und eine folgerichtige 2:0-Führung – das sah doch alles schon sehr, sehr gut aus. Und es wurde besser: Erneut ist es Türpitz, erneut schickt er eine Fackel gen Philipp Klewin, nur, dass in diesem zweiten Schuss der ganze Frust aus der Auftaktpleite in Großaspach gelegen haben muss. Von der rechten Seite des Strafraums donnert der Neuzugang aus Chemnitz den Ball links in den Winkel – dass das Tornetz danach noch funktionstüchtig war, spricht in jedem Fall für den Hersteller. Vorher war das für Erfurt alles viel zu schnell gegangen: Björn Rother köpft am Rande des Mittelkreises einen verunglückten Erfurter Pass auf Andreas Ludwig, der lupft mit einer Ballberührung sofort auf den durchstartenden Tüpritz und zack! kommt der Ex-Chemnitzer auch schon fulminant zum Abschluss.

Klassischer One-Two-Punch und mit noch reichlichen 60 Minuten Spielzeit im Prinzip schon der K.O. für die Gäste aus Thüringens Landeshauptstadt, die sich sogar noch bei Michel Niemeyer (und Florian Neuhold aus den eigenen Reihen) bedanken konnten, zur Halbzeitpause nicht bereits mit 0:4 hinten zu liegen. Einen von Türpitz per Hacke eben auf Niemeyer fein säuberlich durchgesteckten Ball kann dieser völlig frei stehend nicht schnell genug verwerten, wohl auch, weil er ihn leicht in den Rücken gespielt bekommt; der Abschluss auf das leere Tor wird von Neuhold jedenfalls im letzten Moment noch geklärt.

Ansonsten war das insgesamt alles schon ziemlich beeindruckend, was der 1. FC Magdeburg in der ersten Hälfte auf den Rasen brachte. Die Mannschaft hatte das Spiel bis auf ganz wenige Ausnahmen (z.B. bei einer eher fragwürdigen Freistoßentscheidung für Erfurt nach Konter über Razeek in der 38. Minute) völlig im Griff und spätestens nach dem dritten Treffer dürfte eigentlich kaum jemand im Stadion noch das Gefühl gehabt haben, dass das Ding in irgendeiner Weise schief gehen könnte. Mit diesem Eindruck ging es auch in die Pause.

Die Geschichte der zweiten 45 Minuten ist dann eigentlich relativ schnell erzählt und geht so: der 1. FC Magdeburg ließ Erfurt ein wenig kommen, ohne wirklich etwas zuzulassen, während man selbst für die anstehende Aufgabe unter der Woche in Meppen ein wenig Kraft sparte und die Führung eher entspannt über die Zeit brachte. Dabei half es natürlich, dass RWE sich bei zwei passablen Aktionen (nach einer Ecke in der 53. und mit einem Drehschuss in der 56. Minute) nicht belohnen konnte und sich nach einer reichlichen Stunde durch eine gelb/rote Karte gegen Kapitän Menz ziemlich unnötig dezimierte. Grund für den Platzverweis war ein Foul an, na klar, Philip Türpitz, der vorher clever den Ball gewonnen hatte, sofort auf „Attacke“ schaltete und von Menz in der Vorwärtsbewegung fein säuberlich gelegt wurde. Die eher hitzige Debatte zwischen einigen Erfurter Spielern und Schiedsrichter Schlager (der mit diesem Namen eigentlich nur noch Spitzenspiele pfeifen sollte) im Anschluss war dann auch fast schon der letzte größere Aufreger der Begegnung. Für den wirklich allerletzten sorgte Björn Rother, der nach 74 Minuten eigentlich auf 4:0 für seine Farben stellen muss, einen vollkommen freien Kopfball aus vielleicht 3, 4 Metern nach einer Hammann-Flanke von links dann aber aus unerklärlichen Gründen rechts am Tor vorbei setzt.

Da Erfurt spätestens nach dem Platzverweis nur noch um Schadensbegrenzung bemüht sein konnte und der FCM die komfortable Führung im Wesentlichen nur noch verwaltete, wurde es spielerisch im weiteren Verlauf nicht mehr wirklich spannend – fast wäre man geneigt zu sagen, dass sich eine Spur Langeweile breit machte. Wann gab es das eigentlich zuletzt? Gut, okay, Felix Schiller setzte in der 83. Minute nach einer Ecke von Nico Hammann noch einen Kopfball an den Pfosten und der für Andreas Ludwig eingewechselte Julius Düker den satten Nachschuss aus dem Rückraum knapp über die Latte, ansonsten blieben größere Highlights hinten raus aber Mangelware. Für Unterhaltung sorgte allerdings noch die Einwechslung von Dennis Erdmann und die damit verbundene Frage, wie lange es wohl dauern würde, bis er die erste gelbe Karte der Saison kassiert. Die Antwort: eine knappe Viertelstunde. Nach 64 Minuten für Marius Sowislo gekommen, sah er in der 78. erstmals in dieser Spielzeit den gelben Karton. Hatten wir das also auch geklärt.

Pünktlich nach 90 Minuten war dann Schluss, der erste Heimsieg der Saison in beeindruckend kontrollierter Manier und mit drei schönen Toren eingefahren und: das Kribbeln zurück. Zwar dauerte es eine ganze Weile, bis die Mannschaft sich zuerst im Kreis zusammengefunden und im Anschluss an ihre Ehrenrunde vor der Nordtribüne eingefunden hatte, trotzdem schepperte es dann in der Nachmittagssonne noch einmal richtig und endete der Spieltag so, wie er kurz nach 14 Uhr begonnen hatte: Mit einem donnernden “FUSSBALLCLUB MAGDEBURG! FUSSBALLCLUB MAGDEBURG!” und ordentlich Gänsehaut.

So kann es gern weitergehen und wer weiß? Vielleicht wird es das ja auch. Die nächste Aufgabe heißt jetzt jedenfalls “Meppen” und es bleibt zu hoffen, dass trotz des eher schwierigen Termins unter der Woche eine stattliche Anzahl Clubfans die Reise ins Emsland antreten wird. Karten gibt es dem Vernehmen nach noch ausreichend an der Tageskasse, also: wer kann, sollte sich den Ausflug zu einem wirklich interessanten Aufsteiger, noch dazu mit einem 3:0 im Rücken, nicht entgehen lassen. “Reisegruppe Auswärtssieg” on Tour oder: “Alles nur für Dich, mein FCM!”

Die Pressekonferenz zum Spiel (via YouTube)

Die Zusammenfassung in der „Sportschau“ ist hier zu finden.

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