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Der Hype ist vorbei

Der Hype ist vorbei

1.FC Magdeburg – Holstein Kiel, 31. Spieltag, 0-1 (0-1)

“Kiel brachte in der zweiten Halbzeit gar nichts mehr nach vorne zu Stande. Gegen offensiv harmlose und umständliche Magdeburger reichte das allerdings aus.” (kicker.de)

Der 1. FC Magdeburg ist, und das ist im allerpositivsten Sinne bemerkenswert, am 31. Spieltag zurück (oder angekommen?) auf dem Boden der Drittliga-Tatsachen. Mit 0-1 unterlag man gegen Holstein Kiel, kassierte somit die zweite Heimniederlage der Saison und muss sich wohl um die Frage, ob man denn in der kommenden Spielzeit in der 2. oder 3. Liga an den Start gehen wird, keine Gedanken mehr machen. Und das ist gut so. Weniger gut war der Auftritt der Mannschaft vor allem in der ersten Halbzeit, der eigentlich alles das vermissen ließ, was das Team in der überwiegenden Zahl der Spiele davor so stark gemacht hatte: Intensität, unbedingter Wille und der Ticken mehr Leidenschaft und Kampf als der Gegner. Waren es gegen Cottbus wenigstens noch 45 okaye Minuten, gab man sich gegen Kiel mit nur einer halben Stunde ordentlichen Fußballs zufrieden. Tja, und das reicht dann eben einfach nicht für eine Mannschaft wie den KSV Holstein.

Überhaupt war es insgesamt ein eigentümlicher Tag, der schon damit begann, dass der übliche Weg von der  Haltestelle ‘Käseglocke’ zum Stadion an der GETEC-Arena vorbei versperrt war und man rechts und links an den Ab- und Umbauarbeiten hinter der Halle vorbeilaufen musste. Der gemeine Fußballfan ist ja einigermaßen sensibel, was die Änderung gewohnter Routinen betrifft… Auch im Stadion bzw. auf der Nordtribüne war einiges anders, was vor allem daran lag, dass sich vor Spielbeginn nicht die gewohnten Capos auf dem Vorsängerpodest einfanden (beide wären krank, munkelte es zwischendurch), sondern von zwei Kollegen vertreten wurden. Die bemühten sich nun nach Leibeskräften, konnten die Kurve aber irgendwie nicht so recht in Gange bringen. Waren es zu Spielbeginn noch Probleme mit der Soundanlage, fehlte im weiteren Verlauf irgendwie so ein bisschen die Gefolgschaft der Massen und wirkte das Bemühen, Block U und Co. zum Singen zu animieren, an der einen oder anderen Stelle etwas unglücklich. Aber ganz ehrlich: Um die Aufgabe, einspringen zu müssen und dann ein paar Tausend Leute zum Mitmachen animieren zu sollen, habe ich die beiden Jungs nicht beneidet.

Erstaunlich war in diesem Zusammenhang, wie sich offenbar inzwischen auch auf der Nordtribüne eine gewisse Konsumentenhaltung breit gemacht hat, denn: Die Ansagen vom Vorsängerpodest waren eigentlich keine anderen als sonst, die üblicherweise hohe Mitmachquote wurde trotzdem nicht erreicht. Und klar, das kann man jetzt natürlich an der Art und Weise des ‘Dirigierens’ des Capos festmachen, allerdings hindert das ja niemanden daran, die bekannten Lieder trotzdem einfach mitzusingen. Ärgerlich auf jeden Fall, in welcher Form die Bemühungen der Vorsänger-Vertreter da zum Teil kommentiert wurden. “Wenn Ihr es besser könnt, nehmt Euch doch beim nächsten Mal einfach selbst das Mikro!” möchte man dem einen oder anderen Nörgler an dieser Stelle zurufen.

Dass man im Verlauf der ersten Halbzeit überhaupt Gelegenheit hatte, sich über solcherlei Dinge Gedanken zu machen, lag daran, dass die Mannschaft auf dem Rasen – ganz ähnlich wie in Cottbus – eine ausgesprochen uninspirierte Vorstellung an den Tag legte, den Kieler Gästen über weite Strecken der ersten 45 Minuten viel zu viele Räume ließ und spielerische Lösungen, die zu einem Torabschluss führten, nur ganz selten zu bewundern waren. Jens Härtel sagte später in der Pressekonferenz, dass das eigentlich nicht der Matchplan war, was sich letztlich nur so interpretieren lässt, dass die Mannschaft die vorher gemachten Vorgaben schlicht und ergreifend nicht umgesetzt hat. Der Rückstand nach 28 Minuten und einem sehenswerten Tor von Manuel Janzer nebst provokativer Geste vor der Heimkurve daher nur folgerichtig; bereits nach 11 Minuten hätte es nach einer Ecke für Kiel und einem völlig freien Kopfball in Richtung Jan Glinker eigentlich klingeln müssen. In Spielminute 33 ergab sich in einem ganz ähnlichen Szenario die große Chance, die Führung auszubauen – Kiel nutzte sie glücklicherweise nicht. Und Blau-Weiß? Markierte erst nach 20 Minuten (!) im Heimspiel (!!) den ersten Torschuss, den Nico Hammann von der Strafraumgrenze allerdings nicht gefährlich genug auf den Kasten von Robin Zentner bringen konnte.

Aus einer sehenswerten Kombination heraus wurde es erstmals nach 27 Minuten gefährlich für Kiel: Farrona-Pulido und Ernst spielen sich gemeinsam von der rechten Seite vor das Tor, beim Abschluss von Ernst fehlte dann aber deutlich der Druck hinter dem Ball. Und da in der 39. Minute ein Hammann-Freistoß und kurz vor dem Pausenpfiff ein Ernst-Nachschuss nach einer von Kiel nicht geklärten Strafraumsituation ebenfalls nicht zum gewünschten Erfolg führten, ging es eben mit einem Ein-Tore-Rückstand in die Halbzeitpause. Begleitet wurde die Mannschaft auf ihrem Weg in die Kabine diesmal von deutlich vernehmbaren Pfiffen – interessant, wie schnell so ein unerwarteter Saisonverlauf doch verwöhnt…

Zum Start der zweiten Hälfte gab es dann vor allem erst einmal im Gästebereich und den angrenzenden Blöcken 18 und 19 ordentlich Bewegung, gefolgt von einem irgendwie halbherzigen Aufmarschieren der Polizei und allerlei Gerangel mit dem auf der Südtribüne befindlichen Ordnerpersonal. Von der Heimkurve auf der anderen Seite aus war das alles eher unübersichtlich; nach dem Spiel machte die Information die Runde, dass es wohl um eine Magdeburger Fahne gegangen war, derer sich die Kieler bemächtigt hätten. Wie liga3-online.de später berichtete, konnten die Ordner die Fahne allerdings zurückholen. 

Auf dem Rasen bot sich indes das gleiche Bild wie in Halbzeit 1: Kiel hatte weitestgehend alles im Griff, vom 1. FC Magdeburg kam in den ersten 10 Minuten nach Wiederanpfiff viel zu wenig. Und wenn Steffen Puttkammer nach dem Spiel zu Protokoll gibt, dass man sich in der Halbzeitpause hingesetzt und beschlossen hätte, im zweiten Durchgang das wahre Gesicht zu zeigen, darf man sich schon fragen, warum man das a) nicht schon vom Anpfiff der Begegnung weg getan hat und b) ob es in dieser eigentlich charakterlich so starken Truppe nach dem Erreichen der 45-Punkte-Marke nicht vielleicht doch ein kleines Einstellungsproblem gibt. Immerhin gelang es dem Club irgendwann, den Schalter wenigstens ein bisschen umzulegen und Druck zu entwickeln, ohne dabei jedoch absolut zwingend zu werden. Insofern beschreibt das Eingangszitat die zweite Hälfte dann eigentlich ganz gut – wenn überhaupt, ging etwas über Standards, die am Ende von Kiel aber einfach auch gut verteidigt wurden oder eben neben das Tor gingen.

Dass es in der Schlussphase noch einmal hektisch wurde, war dem Schiedsrichtergespann zu verdanken, das bei mindestens zwei, wenn nicht so gar mehr Situationen deutlich falsch lag. In der 82. Minute wird Christian Beck einschussbereit im Strafraum klar von den Beinen geholt, bekommt den Elfmeter aber nicht, zwei Minuten später wird der inzwischen eingewechselte Waseem Razeek direkt vor den Augen des Linienrichters auf Strafraumhöhe im Laufduell zu Boden gezogen – mit dem Ergebnis, dass der Ball den Kieler zugesprochen wird. Ob der eine oder andere Pfiff mehr zu unseren Gunsten den Spielverlauf aber wesentlich verändert hätte, darf wohl bezweifelt werden. Dafür investierte Blau-Weiß an diesem Sonntagnachmittag über das ganze Spiel gesehen einfach zu wenig und verliert vor allem aufgrund der spielerisch schlimmen ersten Hälfte völlig verdient gegen die Störche aus Kiel.

Wie eingangs bereits erwähnt, ist der Aufstiegs- bzw. der Relegationszug damit wohl abgefahren und sortiert sich der 1. FC Magdeburg inzwischen da ein, wo er realistischerweise wohl im Moment noch hingehört. Schlimm ist das beileibe nicht, auch wenn es sicherlich schade ist, dass der große Hype, der den Club im Prinzip jetzt schon seit fast einem Jahr begleitet, damit vermutlich erst einmal vorbei ist. Wir sind angekommen in der 3. Liga, und das ist gut so. Nimmt man die Aufbaujahre unter Andreas Petersen hinzu, die ja bei der Betrachtung der heutigen Lage gern mal vergessen werden, ist rund um den 1. FC Magdeburg in den vergangenen fast vier Jahren Unglaubliches passiert: 2011/2012 noch Letzter (!!) der Regionalliga Nord, ging es seitdem kontinuierlich bergauf: Dem 6. Tabellenplatz 2012/2013 folgte der 2. eine Spielzeit später, wiederum ein Jahr drauf gewann man die Liga knapp. Danach setzte der Rausch ein: Überragende Aufstiegsspiele gegen Offenbach, ein mehr als gelungener Saisonstart, zwei Derbysiege und die Schlagdistanz zum Relegationsplatz 3 acht Spieltage vor Saisonende. Und das mit einer Mannschaft, die vor der Saison mit Spielern verstärkt wurde, die vorher in Liga 4 am Ball waren. Möge der eine oder andere, der sich durch die Spielweise in der 31. Runde gegen Kiel nicht gut genug unterhalten fühlte, das doch einfach mal einen Moment sacken lassen.

Dass man nach einem solchen Lauf und einer solchen Entwicklung irgendwann mit dem Kopf mal an die gläserne Decke stößt, kann eigentlich niemanden verwundern. Von daher sollte das Motto nun lauten, die Saison ordentlich zu Ende zu bringen, die beiden Duelle gegen Aue und Dresden noch einmal zu genießen, bevor sich beide Mannschaft dann zur kommenden Saison höchstwahrscheinlich in die 2. Liga verabschieden, den Landespokal zu holen und sich dann auf eine weitere wichtige Saison in Deutschlands dritthöchster Profispielklasse zu freuen. Ich für meinen Teil habe die 25 Jahre Amateurfußball jedenfalls noch nicht vergessen.

 

Beitragsbild: „don’t hype the bellevue“ (geändert) von Erich Ferdinand, Lizenz: CC BY 2.0

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  1. Pingback: Medien-Retrospektive: KW 12/2016 - Nur der FCM!

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