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Ein sehr, sehr angenehmer Fußballnachmittag

Bericht zum 36. Spieltag

1.FC Magdeburg – SG Sonnenhof Großaspach, 36. Spieltag, 4:0 (2:0)

Höchster Heimsieg der Saison, vier verschiedene Torschützen, beeindruckte bzw. begeisterte Blogger-Kollegen und nur noch ein Punkt Rückstand auf Platz 4 – was soll man zu diesem Spiel eigentlich noch groß schreiben? Vielleicht, dass die SG Sonnenhof Großaspach sich eigentlich glücklich schätzen kann, vor 20.532 Zuschauern im Hexenkessel Heinz-Krügel-Stadion nicht vollständig untergegangen zu sein. Oder, dass die Mannschaft seit dem Unentschieden gegen Wiesbaden am 33. Spieltag und der kleinen Schwächephase davor kaum noch wiederzuerkennen ist. Oder, dass es unser Trainer einmal mehr geschafft hat, sein Team hervorragend auf den Gegner ein- und taktisch so aufzustellen, dass vom bis dato besten Auswärtsteam der Liga zum Beispiel in der zweiten Halbzeit lediglich ein (EIN!) halbwegs gefährlicher Schuss auf das Magdeburger Tor kam. Oder von Manuel Farrona Pulido, der – streng genommen – eigentlich anderthalb Tore erzielte und auch sonst wieder eine überragende Leistung zeigte, genau wie seine Kollegen, die sich diesmal im 3-4-3 sehr ordentlich zurechtfanden. Und was für ein geiler Typ ist eigentlich Ryan Malone? Man könnte es im Prinzip auch auf eine ganz einfache Formel zusammenfassen: Es war ein sehr, sehr angenehmer Fußballnachmittag. 

Dabei begann der Tag früh. Sehr früh. Um 06:05 Uhr rollte diesmal der Zug gen Festungsstadt und klar, wenn der Wecker an einem Samstag um fünf klingelt, kann einem schon mal kurz die Frage durch den Kopf huschen, warum zum Teufel man sich jetzt eigentlich aus den Federn quälen soll, um dann fünfeinhalb Stunden mit drei unterschiedlichen Regionalbahnen quer durch die Republik zu gondeln. Aber hey: Wenn die Mannschaft einen dann mit einem derart starken Heimspiel entschädigt, würde (und wird) man es ja doch immer wieder tun. Im Stadion angekommen, war an diesem Spieltag einiges irgendwie anders als sonst, was, wie wir jetzt wissen, ganz eindeutig ein gutes Omen war. Man hatte so ein bisschen den Eindruck, dass die ganze Anmoderation des Spiels zeitlich irgendwie ein Stückchen nach vorn gezogen war, sodass schon relativ zeitig die Aufstellung verkündet wurde und man erst danach die einzelnen Blöcke begrüßte. Kleinigkeiten, klar, aber wenn gerade beim Fußball die gewohnten Abläufe durcheinander geraten, kann es an der Abergläubigen-Front schon auch mal kritisch werden. Dann verlieren wir auch noch die Seitenwahl und zack! machte sich erst einmal ein mulmiges Gefühl in der Magengegend breit.

Dass das relativ unbegründet war, wurde allerdings schnell klar. Blau-Weiß vom Start weg engagiert und mit Initiative, die erste Schusschance von Christian Beck ergab sich bereits nach drei Minuten, wurde aber ebenso nicht gefährlich wie ein Freistoß in aussichtsreicher Position nur eine Minute später, der im Toraus landete. Zu dem Zeitpunkt war auch die SG Sonnenhof Großaspach noch auf dem Platz, um hier unbedingt etwas mitzunehmen und tauchte erstmals in der 10. Minute mit einem Kopfball gefährlich vor dem Kasten von Jan Glinker auf. Ansonsten spielte sich das Geschehen in der ersten halben Stunde vornehmlich zwischen den Strafräumen ab und war die Begegnung geprägt von allerlei Nicklichkeiten und aufmerksamen Defensiven, die ein geordnetes Aufbauspiel eigentlich kaum zuließen. Nicht die hohe Fußballkunst und schon gar nichts für Ästheten, aber eben solides Handwerk.

Nicht so einfach auszumachen war zunächst auch die taktische Grundordnung der Blau-Weißen, die mit einer Dreierkette aufliefen, in der aber auf der rechten Seite Nils Butzen und Nico Hammann immer mal wieder die Positionen tauschten. Nicht so sehr auf links, wo David Kinsombi den Verteidiger gab und Michel Niemeyer vor ihm das linke Mittelfeld besetzte. Zentral defensiv dribbelte Steffen Puttkammer auf und ersetzte so erwartungsgemäß den gelbgesperrten Christopher Handke. Jan Löhmannsröben spielte vor der Abwehr und somit als Absicherung im Vierer-Mittelfeld, Sebastian Ernst agierte – zumindest nominell – hinten den Spitzen. Ganz vorn versuchten Christian Beck, Marius Sowislo und Manuel Farrona Pulido, die freien Räume zu besetzen bzw. welche zu schaffen und beim geneigten Beobachter ob der reichlichen Positionswechsel ordentlich für Verwirrung zu sorgen. Das ging offenbar auch Großaspach nicht anders: In der 28. Minute gibt es einen ganz langen Ball aus der Abwehr auf Beck, der aber nicht voll durchzieht und so anzeigt, den Pass wohl nicht mehr zu erreichen. Für die Aspacher Defensive scheint die Sache damit geklärt, sodass bis auf Torhüter Gäng niemand mehr groß reagiert, als plötzlich Michel Niemeyer auftaucht, den Ball am Aspacher Torhüter vorbei ins Tor spitzelt – und vom Keeper voll abgeräumt wird. Der Jubel im Block dementsprechend auch nur kurz bzw. kaum vorhanden und ich muss gestehen, dass ich erst mitbekommen habe, dass das Tor zählt, als der Stadionsprecher ein paar behandlungsbedingte Minuten nach der Aktion den neuen Spielstand ansagte.

Die Gäste antworteten auf das Gegentor, bei dem Christopher Gäng mit gelb noch gut bedient war, mit einer guten Spur englischer Härte und spielten das, was sie bereits aus dem Hinspiel als extrem unangenehme Mannschaft in Erinnerung bleiben ließ: Viele kleine Fouls, viele Schauspieleinlagen, viel Gesprächsbedarf mit dem Unparteiischen und trotzdem einiges an Robustheit, wenn sich die Größten der Welt mit körperlichem Spiel auch nicht lumpen ließen. Überhaupt sagt diese erste Hälfte einiges aus über die Entwicklung, die der 1. FC Magdeburg in dieser Saison genommen hat. Zu Beginn der Spielzeit hätte man sich von derart viel Körperlichkeit des Gegners vielleicht noch entnerven oder den Schneid abkaufen lassen, so aber hielt man seinerseits sowohl körperlich als auch spielerisch dagegen und belohnte sich in der 36. Minute mit dem zweiten Tor des Tages: Manuel Farrona Pulido behauptet den Ball zunächst ganz stark (und vielleicht auch etwas glücklich) gegen mehrere Großaspacher, dribbelt dann in Richtung Strafraum und kriegt seine Hereingabe aber nicht rechtzeitig genug zum eigentlich völlig freistehenden Christian Beck. Die Aktion wird geklärt, landet allerdings vor den Füßen von Marius Sowislo, der wiederum Sebastian Ernst – diesmal rechts – bedient. Der erläuft den Steilpass gut, nimmt den Kopf hoch, sieht Christian Beck in der Mitte und flankt passgenau so, dass unsere Nummer 11 nur noch einzunicken braucht. 2:0 nach etwas mehr als einer halben Stunde und somit ein Spielstand, der den Größten der Welt besser nicht hätte in die Karten spielen können. Außerdem ein Tor, das in seiner Entstehung zur Hälfte Manuel Farrona Pulido gehört, weil die Tormöglichkeit nur dadurch überhaupt zustande kommt, dass sich der Mann mit der Nummer 9 im Mittelfeld durch etliche Gegenspieler einfach nicht vom Ball trennen lässt.

Irgendwann war dann Halbzeit und wer jetzt gedacht hätte, dass Großaspach mit einem massiven Sturmlauf aus der Kabine kommen würde, sah sich getäuscht. Auch nach Wiederanpfiff und besonders dann war der 1. FC Magdeburg das tonangebende Team. Und mit Manuel Farrona Pulidos trockenem Flachschuss in der 51. Minute, mit dem er auf 3:0 für die Hausherren stellt, waren die Messen dann im Prinzip auch schon gesungen. Der Rest des Spiels war dann das, was wir in Magdeburg ja ausgesprochen gut können: Eine gepflegte Tribünenparty in blau und weiß. Der eine oder andere Wechselgesang wurde probiert, die obligatorische Block-Polonaise angestartet und natürlich auch das ganze Stadion mit einbezogen. Schade nur ein wenig, dass die durch den 7. Behindertentag sehr gut gefüllte Südtribüne das eine oder andere Mal ein wenig hinten runterfiel.

Unten auf dem Rasen fand die SG Sonnenhof Großaspach im Prinzip offensiv überhaupt nicht mehr statt und gerierten sich die Hausherren als höfliche Gastgeber, indem sie beste Chancen liegen ließen und nicht schon weit vor Spielende noch das eine oder andere Tor mehr folgte. Und dann kam Ryan Malone.

Folgende Szene spielte sich auf der Nordtribüne ab, als der Mann mit der Nummer 13 unter großem Jubel das Feld betrat:

Stephan: “Oh, der wird aber gefeiert. Warum ist der denn so beliebt?”

Ryan Malone: *trabt von der Einwechslung direkt zur Ausführung eines Einwurfs*

Martin: “Naja, sagen wir mal so: Er hat besondere Fähigkeiten. Siehste gleich.”

Ryan Malone: *schiebt Werbebande weg und holt zum Einwurf aus*

alle: ‘Alter, der Ball wird ja lang… länger… RICHTIG lang…. da steht Löh, der wird doch wohl nicht…’

– [hier ekstatischen Jubel einfügen] –

Lange genug hatte es ja gedauert, bis Malone in einem Heimspiel mal wieder Drittliga-Minuten sammeln konnte. Und was macht der Bursche? Hat nichts besseres zu tun, als mit einem Einwurf, den ich nicht mal so weit schießen könnte, seinem Kollegen direkt das 4:0 aufzulegen. Allerdings zeigt diese Szene irgendwo auch, wie sehr Großaspach zu diesem Zeitpunkt schon neben der Kappe stand. So lange, wie der Ball in der Luft war und so frei, wie Jan Löhmannsröben für seinen ersten Drittliga-Treffer zum Kopfball kommt, darf das Tor eigentlich gar nicht fallen. Tat es aber und es war eigentlich auch egal – der Treffer ohnehin längst überfällig und der Heimsieg in dieser Höhe letzten Endes auch absolut verdient. Pünktlich nach 90 Minuten beendete Schiedsrichter Siewer schließlich die 36. Runde für den 1. FC Magdeburg und die SG Sonnenhof Großaspach und damit auch ein denkwürdiges Spiel, das für die letzten beiden Aufgaben bei der bereits abgestiegenen Stuttgarter U23 und zuhause gegen die Würzburger Kickers noch mal so richtig, richtig Lust gemacht hat.

Richtig emotional wurde es nach dem Abpfiff trotz des ganzen Jubels dann übrigens auch noch: Zunächst wurde ein Junge im Rollstuhl von einem anderen Jungen und in Begleitung von Mario Kallnik Richtung Mannschaft geschoben, die gerade mit der Nordtribüne einklatschte. Nach dem obligatorischen “Fußballclub Magdeburg!” gab es schließlich noch Autogramme, High Fives und sicher auch das eine oder andere nette Wort für den gehandicapten Fan, der vor Freude darüber sichtlich und herzergreifend eskalierte. Tolle Aktion. Genau wie die Sprechchöre von der Nord, die schließlich noch an Ryan Malone adressiert waren und ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlten:

Vielleicht überlegen die Verantwortlichen ja doch noch einmal, den Vertrag um eine weitere Spielzeit zu verlängern. Dass in einem 26er-Kader für einen derart flexibel einsetzbaren Spieler mit einem möglicherweise stark leistungsbezogenen Arbeitspapier kein Platz sein soll, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Für einen Spieler zumal, der in dieser Saison bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass er auch in wenigen Spielminuten den Unterschied machen kann.

Harren wir also der Dinge, die da kommen und genießen wir derweil das großartige Gefühl eines noch großartigeren Heimsiegs.

Nächster Halt: Stuttgart!

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